Typische Fragen und Antworten rund um das Thema Abmahnung
Im Allgemeinen bedeutet Abmahnung die Missbilligung eines Fehlverhaltens verknüpft mit der Androhung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Falle der Wiederholung einer vergleichbaren weiteren Pflichtverletzung. Die Abmahnung ist rechtlich von der Ermahnung abzugrenzen. Die Ermahnung rügt zwar auch einen Pflichtverstoß durch den Mitarbeiter, sie enthält aber keine Drohung für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung. Sie hat damit keine kündigungsrechtliche Bedeutung.
Die Abmahnung hat drei Funktionen:
- Sie dokumentiert und beweist die Pflichtverletzung für einen späteren Kündigungsschutzprozess oder für andere streitige Auseinandersetzungen (Dokumentations- und Beweisfunktion),
- Sie erinnert den Mitarbeiter an seine vertraglichen Pflichten und weist ihn darauf hin, dass er sie in Zukunft ordentlich zu erfüllen hat (Erinnerungs- und Hinweisfunktion),
- Sie warnt den Arbeitnehmer vor weiterem vertragswidrigem Verhalten und droht ihm Konsequenzen für den Wiederholungsfall an (Ankündigungs- und Warnfunktion).
Eine Abmahnung ist nur dann wirksam, wenn sie diese drei oben genannten Funktionen erfüllt. Eine wirksame Abmahnung setzt daher Folgendes voraus:
- konkrete Darstellung des vorgeworfenen Sachverhalts,
- die Wertung des Verhaltens als Vertragsverletzung,
- Die Benennung der verletzten Pflicht,
- die Aufforderung zu vertragsgemäßem Verhalten
- Die Darstellung des erwarteten zukünftigen vertragsgerechten Verhaltens und
- die Androhung der Kündigung für den Fall der Wiederholung eines Fehlverhaltens.
Eine Abmahnung, die vorgenannte Voraussetzungen nicht erfüllt, ist unwirksam mit der Folge, dass sich auch eine nachfolgende Kündigung als unwirksam darstellen wird.
Ebenso wenig wie es für die Abmahnung eine gesetzliche Definition gibt, ist für sie durch Gesetz eine besondere Form vorgeschrieben. Sie kann also mündlich oder schriftlich erklärt werden.
Es gibt keine Regelfrist, innerhalb der abgemahnt werden muss (BAG, 15.01.1986 – 5 AZR 70/84). Auf der anderen Seite kann die Abmahnung ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie möglichst zeitnah auf das festgestellte Fehlverhalten folgt. Kommt die Reaktion zu spät, mag der Mitarbeiter schon wieder denken, sein Verhalten werde geduldet und bliebe ohne Folgen. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte mit seiner Abmahnung nicht länger als zwei Wochen warten. In diesem Zeitraum sind die Ereignisse für alle Beteiligten noch frisch und können umfassend aufbereitet werden.
Der Arbeitgeber muss die Abmahnung nicht selbst aussprechen. Der Arbeitgeber kann sein Abmahnungsrecht daher auf die Geschäftsführung, seine Personal- oder Abteilungsleiter oder andere Vorgesetzte übertragen. Wichtig ist nur, dass der Abmahnende berechtigt ist, dem Abzumahnenden verbindliche Anweisungen über Ort, Zeit sowie Art und Weise seiner Arbeitsleistung zu geben (BAG, 18.01.1980 – 7 AZR 75/78).
Es gibt keine Regel, wie häufig vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt werden muss. Grundsätzlich reicht es auch, wenn der Mitarbeiter vor der Kündigung einmal einschlägig abgemahnt wurde. Je länger das Arbeitsverhältnis besteht und je unerheblicher die vorgeworfene Pflichtverletzung ist, desto eher wird eine einzige Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung von den Arbeitsgerichten als nicht ausreichend erachtet werden.
Für die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist die Abmahnung regelmäßig nur dann erforderlich, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutz hat. Das ist (seit dem 1.1.2004) in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern der Fall. In diesen Betrieben ist vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung auszusprechen. In Betrieben, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt werden (sog. Kleinbetriebe), kann der Arbeitgeber auch ohne vorherige Abmahnung das Arbeitsverhältnis kündigen. Dagegen setzt eine außerordentliche fristlose Kündigung nach allgemeiner Auffassung auch in Kleinbetrieben zuerst eine erfolglose Abmahnung voraus, es sei denn, es liegt ein Sachverhalt vor, bei dem zum Beispiel wegen der Schwere des Pflichtverstoßes auf eine Abmahnung verzichtet werden kann.
Es gibt Fälle, in denen vor einer Kündigung nicht abgemahnt werden muss. Wer seinen Arbeitgeber betrügt, bestiehlt oder beleidigt, darf nicht erwarten, dass er dafür noch eine zweite Chance bekommt. Wenn es um gravierende Störungen des Vertrauensbereichs geht, kann regelmäßig sofort gekündigt werden. Auf der anderen Seite meint das Bundesarbeitsgericht, dass auch bei Störungen im Vertrauensbereich vor der Kündigung eine Abmahnung erforderlich ist, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann.
Normalerweise setzt die Wirksamkeit einer Abmahnung nicht voraus, dass eine vorherige Anhörung des Abgemahnten erfolgt. Man hört zu diesem Punkt aber auch kritische Stimmen. So gibt es beispielsweise eine Mindermeinung des ArbG Frankfurt/Oder, die möglicherweise verstärkte Beachtung verdient: Die sächsischen Arbeitsrichter halten nämlich eine Abmahnung bereits aus formellen Gründen für rechtswidrig, wenn sie ohne vorherige Anhörung des Arbeitnehmers zur Personalakte genommen wird. Der Arbeitgeber habe sie dann sogar unabhängig vom Bestehen einer einschlägigen tariflichen Regelung aus der Personalakte zu entfernen (ArbG Frankfurt/Oder, 07.04.1999 – 6 Ca 61/99).
Nein. Wer auf eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung reagieren will, muss sich festlegen. Entweder spricht er eine Abmahnung aus oder er kündigt. Beides gleichzeitig wegen ein und desselben Sachverhalts geht nicht. Kündigung und Abmahnung schließen sich gegenseitig aus (BAG, 10.11.1988 – 2 AZR 215/88). Wenn der Arbeitgeber ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers zum Anlass für den Ausspruch einer Abmahnung genommen hat, verzichtet er damit gleichzeitig auf den Ausspruch einer Kündigung. Der Verzicht auf die Kündigung durch Erteilung einer Abmahnung ist sowohl bei einer außerordentlichen als auch bei einer ordentlichen Kündigung möglich.
Nein. Nur dann, wenn das abgemahnte Verhalten mit dem neuerlichen Fehlverhalten vergleichbar ist, kann eine Kündigung ausgesprochen werden. Abmahnungen brauchen nicht mit dem späteren Kündigungsgrund völlig identische Pflichtverletzungen rügen. Für eine Kündigung reicht es aus, wenn die neue Pflichtverletzung aus demselben Bereich stammt. Abmahnung und Kündigung müssen also in einem inneren Zusammenhang stehen (Beispiel: Der Arbeitnehmer wird abgemahnt, weil er seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht rechtzeitig angezeigt hat und später wird er gekündigt, weil er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht rechtzeitig dem Arbeitgeber vorgelegt hat.)
In der Praxis wird häufig gesagt, dass eine Abmahnung nach zwei Jahren ihre Gültigkeit verliert. Dabei wird vorausgesetzt, dass sich der Arbeitnehmer in diesen zwei Jahren korrekt verhält. Das Bundesarbeitsgericht hat keine starre Frist festgesetzt, bis zu der eine ausgesprochene Abmahnung ihre Wirksamkeit behält. Dies ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls. So können normale abgemahnte Pflichtverletzungen auch noch drei Jahre und schwere abgemahnte Pflichtverletzungen sogar fünf Jahre nach Ausspruch der Abmahnung nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ihre Wirkung behalten, während Abmahnungen von einfachen Pflichtverletzungen sogar nach einigen Monaten ihre Wirkung verlieren können.
Der Arbeitgeber muss immer nachweisen, dass sich der Mitarbeiter nicht vertragsgemäß verhalten hat und sich daher die Abmahnung als rechtmäßig erweist.
Entschließt sich der Arbeitnehmer, gegen eine Abmahnung vorzugehen, hat er dafür drei Möglichkeiten:
- er kann eine Gegendarstellung zur Personalakte reichen
- er kann die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen und/oder
- den Widerruf unzutreffender bzw. ehrverletzender Äußerungen fordern.
Der abgemahnte Arbeitnehmer kann eine Gegendarstellung erstellen, in welcher er die Gründe darlegt, warum die Abmahnung unberechtigt ist. Diese Gegendarstellung muss der Arbeitgeber ebenso wie die Abmahnung zur Personalakte nehmen. Der unberechtigt abgemahnte Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber aber ebenfalls verlangen, dass die Abmahnung aus der Personalakte entfernt wird. Weigert sich der Arbeitgeber die Abmahnung aus der Personalakte herauszunehmen, kann er diesen Anspruch auch klageweise vor den Arbeitsgerichten durchsetzen.
Ein Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, etwas gegen eine Abmahnung zu tun. Er kann sie widerspruchslos akzeptieren und seine Arbeit fortsetzen. Er wird dadurch nicht gehindert, die abgemahnte Pflichtverletzung in einem späteren Kündigungsschutzprozess zu bestreiten und die Abmahnung erst dann anzugreifen (BAG, 13.03.1987 – 7 AZR 601/85). Kein Arbeitgeber kann also davon ausgehen, dass das abgemahnte Fehlverhalten als zugestanden gilt, wenn sein Mitarbeiter die Abmahnung (zunächst) ohne Gegenwehr hinnimmt.
Es ist nicht sinnvoll, eine unberechtigte Abmahnung klageweise vor dem Arbeitsgericht anzugreifen. Durch eine Klage fühlt sich der Arbeitgeber „angegriffen“, so dass es zukünftig schwer werden wird, das Arbeitsverhältnis gedeihlich fortzusetzen. Eine Klage hat noch eine weiteren Nachteil: Sollte das Arbeitsgericht feststellen, dass die Abmahnung berechtigterweise ausgesprochen wurde, kann der Arbeitgeber beim nächsten vergleichbaren Fehlverhalten risikolos kündigen.
Es macht allenfalls Sinn, eine Gegendarstellung zur Abmahnung anzufertigen. Häufig sinnvoller ist es aber, auf eine Abmahnung gar nicht zu reagieren. Wird nämlich der Arbeitgeber durch eine Gegendarstellung auf Fehler in der erteilten Abmahnung aufmerksam gemacht, erhält der Arbeitgeber die Möglichkeit, die fehlerhafte Abmahnung „zurückzunehmen“ und durch eine neue Abmahnung, die die gerügten Mängel nicht mehr enthält, auszusprechen. Es ist daher häufig sinnvoller, keine Gegendarstellung abzugeben, da die Arbeitsgerichte im Falle eines Kündigungsausspruchs ohnehin prüfen, ob die vorausgegangene Abmahnung wirksam ausgesprochen wurde. Im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses kann der Arbeitnehmer dann immer noch sämtliche Gründe vortragen, die gegen die Wirksamkeit der Abmahnung sprechen. Stellt sich dann im Kündigungsschutzprozess heraus, dass die Abmahnung nicht wirksam ist, ist die Kündigung unwirksam, ohne dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, die Mängel in der Abmahnung nachträglich zu beheben.
Nur dann, wenn der Eindruck besteht, dass die ausgesprochene Abmahnung nicht die letzte Abmahnung sein wird und der Arbeitgeber durch den Ausspruch von Abmahnungen die Kündigung vorbereitet, ist es sinnvoll, eine Gegendarstellung anzufertigen, um dem Arbeitgeber zu verdeutlichen, dass dessen unberechtigtes Vorgehen nicht akzeptiert werden wird.
Typische Fehler, die zur Unwirksamkeit der Abmahnung führen
Die Abmahnung ist zwar keine zugangsbedürftige Willenserklärung, trotzdem muss sie den Empfänger erreichen. Der abgemahnte Mitarbeiter muss ja, wenn der Arbeitgeber verhaltensbedingt kündigen will, gegen die Abmahnung verstoßen. Kündigungsrechtlich muss ein Wiederholungsfall vorliegen. Und das kann nur passieren, wenn der Arbeitnehmer von der Abmahnung Kenntnis hat. Zweck der Abmahnung ist es ja unter anderem, dem auffällig gewordenen Arbeitnehmer deutlich vor Augen zu führen, was er falsch gemacht hat und was sein Arbeitgeber in Zukunft von ihm erwartet. Damit die Abmahnung diese Funktion erfüllen kann, muss der Abgemahnte entweder Kenntnis von der Abmahnung haben – oder zumindest die Möglichkeit gehabt haben, Kenntnis zu nehmen.
Es gibt eine Menge Gründe, derentwegen ein Arbeitgeber abmahnen kann. In vielen Fällen fehlen ihm bei einer Vertragsverletzung nicht nur im übertragenen Sinn die Worte, sondern auch tatsächlich. Er ist im Umgang mit der Materie ungeübt und versucht, den Sachverhalt mit seinen Worten darzustellen. Gelesen wird seine Abmahnung dann am Ende nicht nur von seinem Mitarbeiter, sondern auch von einem Arbeitsrichter. Und der wird nach Anhaltspunkten suchen, mit denen er die Abmahnung schon aus formellen Gründen scheitern lassen kann – weil die Abmahnung eben nicht erkennen lässt, was dem Arbeitnehmer konkret vorgeworfen wird. Die Abmahnung muss immer so konkret gefasst sein, dass auch ein Dritter, der von dem Vorfall überhaupt nichts weiß, so informiert ist, dass er sich ein eigenes Bild vom abgemahnten Sachverhalt, den verletzten und zukünftig einzuhaltenden Fristen und den Konsequenzen, die bei weiteren Verstößen drohen, machen kann. Der abgemahnte Arbeitnehmer muss erkennen können, was seinen Arbeitgeber stört und wie er sich in Zukunft genau verhalten soll.
Eine Abmahnung hat u.a. eine Warnfunktion. Diese Funktion kann sie nur dann erfüllen, wenn dem Arbeitnehmer deutlich vor Augen geführt wird, was ihn erwartet. Fehler gehen auch hier zu Lasten des Arbeitgebers. Eine Drohung mit „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ ist insoweit nicht ausreichend. Will man sich als abmahnender Arbeitgeber diese „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ – und welche überhaupt? Eine weitere Abmahnung? Eine Versetzung oder Umsetzung? Oder doch eine Kündigung? – noch offenhalten, mag das ja angehen. Nur: die Warnfunktion wird unterm Strich nur dadurch eingehalten, dass für weitere Verstöße die letzte Konsequenz angedroht wird: und das ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Ohne Kündigungsandrohung stellt sich eine Abmahnung als nicht wirksam dar.
Eine Abmahnung ist unberechtigt, wenn entweder der Vorwurf Ihres Arbeitgebers nicht stimmt, weil Sie sich vertragsgemäß verhalten haben, oder aber der Vorwurf im Streitfall nicht bewiesen werden kann.
Mitarbeiter machen nicht immer nur einen Fehler, sondern begehen häufig gleich mehrere Vertragsverstöße. Ebenso kann es passieren, dass ein „Wiederholungstäter“ am Werk ist, der innerhalb kurzer Zeit immer wieder gegen die gleichen arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt. Manchmal ist es auch nur so, dass ein Arbeitgeber an einem Tag gleich von mehreren unterschiedlichen Pflichtverletzungen Kenntnis bekommt. Soll eine Abmahnung Bestand haben, muss sie sachlich und rechtlich zutreffend sein, d. h. sollte der Vorwurf Ihres Arbeitgebers in der Abmahnung nicht stimmen, weil Sie sich vertragsgemäß verhalten haben, oder weil der Vorwurf im Streitfall nicht durch Ihren Arbeitgeber bewiesen werden kann, dann stellt sich das abgemahnte Verhalten als unberechtigt dar mit der Folge, dass sich die ausgesprochene Abmahnung als unwirksam darstellt. Dies gilt auch dann, wenn nur eine von mehreren abgemahnten Pflichtverletzungen in einem einzigen Abmahnschreiben unberechtigt ist. Auch in diesem Fall stellt sich die Abmahnung insgesamt als unberechtigt und damit als unwirksam dar, auch wenn einzelne abgemahnte Pflichtverletzungen zutreffend abgemahnt wurden. Auf eine unwirksame Abmahnung kann aber keine wirksame Kündigung gestützt werden.